Wieso ich mich für den Kinderschutz einsetze oder „Ich bin eine Überlebende!“

Ich bin mehrfach darauf angesprochen worden, wieso ich mich für den Kinderschutz einsetzte und mein möglichstes tue, um Kinder vor Missbrauch zu bewahren, sei es sexueller Missbrauch, psysischer oder physischer Missbrauch…

Dazu erstmal: Ich denke jeder sollte sich in der Pflicht sehen jedes Kind davor bewahren zu wollen, da Kinder die Erwachsenen von morgen sind und damit unsere Zukunft!!!

Doch es hat bei mir auch den Grund, dass ich selbst eine Überlebende bin und auch später noch von Missbrauchsfällen in meinem näheren Umfeld erfahren musste, wo ich leider nicht einschreiten konnte. Über diese „Geschichten“ werde ich in diesem Blog (oberflächlich) berichten, da es zu weit führen würde sie im Detail zu beschreiben und auch einige Menschen zu sehr aufwühlen würde…

Erstmal zu meiner Geschichte als Überlebende:

Es begann, als ich in der Grundschule war, dass mein Opa immer öfter mehr als „nur“ kuscheln wollte und mich emotional so unter Druck setzte, dass ich es zuließ. Ich dachte lange Zeit sogar es sei „normal, dass Opas ihre Enkel so lieb hätten“, doch da es mir unangenehm war, teilte ich meinen Eltern mit, dass ich nicht mehr bei meinen Großeltern schlafen wolle und erfuhr zu diesem Zeitpunkt auch, dass er nicht nur mich „so lieb“ hatte… ich versprach darauf hin, dass er es bei dem anderen Mädchen (das ich hier bewusst nicht näher benenne) machen könne und hielt dieses Versprechen, entzog mich aber auch immer mehr den Momenten, in denen er mit mir alleine sein wollte, damit er auch bei mir immer weniger Gelegenheiten bekommen sollte mir zu zeigen „wie sehr er mich lieb hatte“.

Seine ständigen Annäherungen endeten, als ich 12 war und feststand, dass er krebskrank war, doch das Geheimnis trug ich noch über ein Jahr mit mir herum ohne es meinen Eltern mit zuteilen. Mit 13 erfuhren sie es eher per Zufall durch das beherzte Eingreifen von Eltern eines Freundes, dem ich mich andeutungsweise in einem Brief mitgeteilt hatte…. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich nämlich zunehmend von einem Jungen aus der Nachbarschaft belästigt, doch da wusste ich mich dann schon zu wehren! Es war für meine Eltern ein Schock und meine Mutter meint bis heute sie habe damals versagt, weil sie mich nicht beschützt hätte, was völliger Blödsinn ist, da ich kaum Andeutungen gemacht habe….

Mittlerweile kommen soweit alle Beteiligten, außer dem anderen Mädchen, dass den Missbrauch nur verdrängt hat und es immer noch tut, damit zurecht – ich habe sogar ein Gedicht darüber geschrieben:

Sieh mich an – ich steh vor Dir
Du glaubst es nicht, doch ich spreche zu Dir.
Du hast mich verletzt
Meine Seele zerfetzt!
Ich war noch klein
Du hattest den Anschein
Dein Herz wäre rein.
Du hast mich benutzt
Ich fühlte mich beschmutzt.
Dein Leben ging zu Ende
Für mich warst Du ein Fremder.
Es erwachte in mir eine Menge Mut
Endlich kann ich sagen:
Es geht mir wieder gut.
Ich sprach über Deine Taten
Du hattest mich verraten.
Mein Leben geht weiter
Ich bin wieder froh und heiter.
Ich werde nie vergessenwas mit mir geschah
Doch es gibt so viele Menschen einfach wunderbar
Die kämpfen gegen Schweine, die solche Dinge tun.
Sie werden niemals ruhen
Bis die Strafen werden härter
Sie sind so was wie Wächter.
Sie wollen für Kinder Schutz
Damit diese nie mehr werden beschmutzt!

Doch damit ist meine Geschichte noch nicht beendet:

Drei Jahre hatte meine Seele nun Ruhe und es ging mir auch wieder soweit gut. Ich dachte ich hätte einen sehr lieben Freund, der nicht so wild auf Sex sei, doch das war ein Irrtum, denn er vergewaltigte mich und wollte sich dann auch noch weiter mit mir treffe. Da ich dies natürlich nicht tat, begann er mich zu stalken. Ein Jahr lang schlich ich mich immer aus dem Haus, so dass er nicht mitbekam wann ich das Haus verließ und entschied mich dann zu einer Anzeige, als ich erfuhr, dass er das Mädchen, das auch von meinem Opa missbraucht wurde sexuell genötigt hatte. Mir wurde mitgeteilt, das die Vergewaltigung verjährt sei und es wurde Psychologin geschickt, die ein Gutachten erstellen sollte. Das Verfahren (wie auch das des anderen Mädchens) wurde später eingestellt.

Er ist immer noch auf freiem Fuß, verheiratet und hat soweit ich weiß heute zwei Kinder… Ein „toller“ Vater! Nach etwas mehr als einem Jahr, verzog er, doch an Ruhe war noch immer nicht zu denken…

Nicht ganz ein Jahr später mit 17 wurde ich von einem Bekannten meines damaligen Freundes in eine Garage gezogen und dort vergewaltigt. Die Reaktion meines damaligen Freundes: er machte noch am selben Tag Schluß und sagte später für den Täter aus! Ich ging am Tag nach der Vergewaltigung zur Polizei, die meine Aussage aufnahm. Wieder wurde das Ermittlungsverfahren mangels Beweisen eingestellt.

Meine Therapie: Tagebuch schreiben, viel reden und ganz viel zeichnen.

Ich bin heute glücklich verheiratet und habe einen Sohn, doch ich bin Männern gegenüber immer sehr misstrauisch und brauche sehr lange, um eine tiefe und vertrauensvolle Beziehung zu anderen Menschen einzugehen, weshalb ich kaum Freunde habe. Ich zeichne immer noch sehr viel, schreibe nach wie vor Tagebuch und rede sehr viel über meine Gefühle, mein Sexleben ist normal und ich bin glücklich.Ich verhalte mich in manchen Situationen aber auch wie ein kleines Kind; so liebe ich es Seifenblasen hinter her zu schauen oder in Regenpfützen zu springen und ich gehe im Herbst auch immer noch unheimlich gerne durch gefallenes Laub. Wenn jemand sehr laut wird, mache ich mich klein und nehme ein Schutzhaltung ein und auf Nähe durch fremde Personen reagiere ich durch weg gehen, aber mein Mann akzeptiert das und ist immer für mich da und er ist mir eine sehr große Stütze!

Doch ich habe auch andere Missbrauchsfälle mitbekommen:

Bei dem Sohn meiner damaligen Nachbarin und ihr zum Beispiel. Der Junge wurde immer wieder vom Freund meiner Nachbarin geschlagen, wenn dieser zu tief ins Glas (bzw. die Wodkaflasche) geschaut hatte, was ich aber erst später erfahren habe… (seine blauen Flecken waren auch immer an Stellen, die nicht zu sehen waren)

Doch auch sie wurde von ihm geschlagen und das habe ich mitbekommen und da habe ich mich auch mal zwischen die beiden gestellt, um sie zu schützen (ich war gerade 16). Als sie sich von ihm trennte, war ich es auch (zusammen mit zwei Freunden), die ihm seine Sachen übergab, denn sonst hätte meine Nachbarin sich erneut von ihm schlagen lassen… Sie war jedoch schon alkoholabhängig geworden, wodurch ihr der  Sohn vom Jugendamt weggenommen wurde, der mittlerweile wieder bei ihr lebt!

Ein weiterer Missbrauch, von dem ich erst erfuhr, als es schon zu spät war, war der physische Missbrauch einer Mutter gegenüber ihrem Sohn, der immer mehr gemieden, gedemütigt und beleidigt wurde, bis er sich schließlich dazu entschied das Elternhaus zu verlassen und bei bekannten zu wohnen… zu diesem Jungen hatte ich lange guten Kontakt und es hat ihn sehr geprägt. Er ist später auf die schiefe Bahn geraten und mittlerweile habe ich leider keinen Kontakt mehr zu ihm…

Ich denke jedoch man sollte immer wenn es um Kinder geht genau hinschauen und sich,wenn man ein Kind in Gefahr sieht missbraucht zu werden auch einmischen, denn das Kind leidet darunter, auch, wenn es nicht regelmäßig missbraucht wird. Und lieber einmal zu viel nachgefragt und hingesehen, als einmal zu wenig, denn Missbrauch kann viele schlimme Folgen haben und es gab bereits zu viele opfer, die nicht damit umgehen konnten und sich das Leben genommen haben…

Abschließend möchte ich noch ein Zitat einbringen, dass ich zu diesem Thema mehr als passend finde:

Wenn Ihr Eure Augen nicht gebraucht, um zu sehen, werdet Ihr sie brauchen, um zu weinen.
(Jean Paul Sartre)

In diesem Sinne: Bitte schaut hin was in Eurer Umgebung geschieht und mischt Euch auch ein, wenn dadurch einem Kind geholfen werden kann…

© S. Stolzenberg

Published in: on 11. Februar 2012 at 21:30  Comments (2)  

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2 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  1. Hallo Sabrina!

    Wow… deine Geschichte ist unfassbar… Vielen Dank für deine ehrlichen Worte!! Ich finde deine Offenheit und den Mut, wie du mit deinem Schicksal umgehst, einfach bewundernswert! Es müsste mehr Menschen geben, wie dich! Die die Wahrheit offen ausprechen und somit versuchen, anderen den Weg zu weisen, ihnen die Hand zu reichen und zu helfen!

    Alles Gute weiterhin, viel Kraft und Mut auf deinem Lebensweg!

  2. Hey Sabrina,
    inzwischen habe ich einige Biografien von Betroffenen gelesen. Was mich bei dir sehr freut ist die Courage und Selbstbewussheit – besser kann man gar nicht heilen. Schlimm ist und bleibt, dass unser Gesellschaft mit diesem Thema so irgendwie gar nicht mit um gehen will – Gewaltmissbrauch heisst es im zivilen. Was hat nur dieser Staat für eine Entwicklung eingeschlagen, angefangen mit den unseligen Kriegsbeteiligungen!? Solange es Kriege, Gewalt auf Schlachtfeldern gibt, die den Tod in Kauf nehmen, gibt es auch im zivilen kein Ende des Missbrauchens an Menschen! Da täten sich die Tierschützer „gut daran“, mal ihre Haltung noch zu erweitern. Es lohnt sich auch Menschen vor „uns“ – zu schützen. Dir noch ein mal meinen absoluten Respekt – dir sollte man eine Ehren-Medaille und eine Spende für einen Fonds´geben, dann hätte deine mutige Arbeit noch eine zusätzliche helfende Eigenschaft – da kann sich manch Politiker „eine Scheibe“ abschneiden! Weiter so, so lange du die Kraft dazu hast. Alles Gute – 25.Febr./B.Gröbl (bin nicht der Staatsekretär!)


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