Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Woche 2 oder „Ich bin scheiß wütend“

Unsere erste Woche war turbulent, emotional, vor allem für Junior, anstrengend, stressig und dadurch war ich am Ende der Woche dazu gezwungen umzudenken, damit Junior zur Ruhe kommen könne und ich mehr Zeit hätte meine Gefühle zulassen und ordnen zu können…

Wir war also Woche zwei?

Persönlich hat sich die Situation deutlich verbessert, denn mein Mann informiert sich zwar weiterhin, ist weiterhin zu Recht besorgt, aber bei weitem nicht mehr so intensiv, wie er es letzte Woche noch war, konnte auch wieder mehr lachen und Blödsinn machen .

Für unseren Sonnenschein war die zweite Woche auch wesentlich besser, weil er durch einen ruhigeren Tagesablauf, zwei geteilten Einheiten Homeschooling und regelmäßigen Anrufen mit der Familie besser im neuen Alltag ankommen konnte, besser zur Ruhe kommen konnte. Dass wir zusätzlich jeden zweiten Tag an die frische Luft gegangen sind, tat ihm zusätzlich gut, weil er so Energie und Sonne tanken konnte, Bewegung hatte und in der Natur sein konnte.

Über mich hatte ich letze Woche geschrieben, dass ich quasi gar keine Zeit hatte mich mit meinen Gefühlen und Gedanken auseinander zu setzen, sie zuzulassen, sie zu verarbeiten. Dass war diese Woche ganz anders!

Ich hatte diese Zeit, die ich mir durch eine Neustrukturierung des Tages bewusst eingeplant hatte und nutzte diese auch um mich über meine Gefühle auszutauschen.

Ich habe festgestellt, dass ich dankbar bin, traurig, demütig, aber und das vor allem scheiß wütend!!!

Dankbar bin ich im privaten für viel intensive Familienzeit mit vielen schönen Momenten, sehr viel Nähe, trotz körperlicher Distanz, für intensiven, teils sehr emotionalen Austausch. Ich bin dankbar für viele schöne Telefonate mit sehr lieben Menschen und schöne Kurzausflüge in der Natur bei herrlichem Wetter. ♥

Gesellschaftlich bin ich für die anhaltende Solidarität, die ich erlebe dankbar, für jede noch so kleine Hilfsaktion.

Viele dieser Aktionen und Gesten, etwa jetzt zur Begrüßung nicht die Hand zu reichen, für ältere Damen und Herren einkaufen zu gehen und ähnliche machen mich aber traurig und nachdenklich. Denn ich frage mich warum nicht unabhängig von einer solchen Krise solchen Hilfen angeboten werden, warum es nicht generell etwa in der Grippezeit als angemessen gilt nicht die Hand zur Begrüßung zu reichen, sich „nur“ zuzulächeln!?

Ich bin traurig, weil ich leider davon ausgehe, dass diese Solidarität nach der Krise, nach der Epidemie nicht beibehalten wird, denn das lehrt uns leider die Geschichte.

Ich bin aber auch demütig angesichts der immensen weltweiten Zahlen an Todesfällen. Es macht mich dankbar leben zu dürfen und lässt mich den Luxus, in den ich leben darf viel bewusster wahrnehmen.

 

Ich bin aber vor allem scheiß wütend!!!

Privat bin ich wütend auf jeden Menschen, der – vor allem unserem Schatz gegenüber – Versprechungen macht, Hoffnungen weckt, dann aber wieder enttäuscht, weil gemachte Versprechen nicht eingehalten werden. Ich habe entschieden, dieses Verhalten nicht weiter zu dulden, es nicht mehr zuzulassen und ihn zu schützen, indem ich generell solche Versprechen untersage. Uns Eltern gegenüber dürfen gerne Absichten mitgeteilt werden, aber es wird keine Versprechen mehr durch diese Menschen geben, die an unseren Wildfang gerichtet werden.

 

Gesellschaftlich gibt es einiges was mich wütend werden lässt.

Im kleineren Kreis sind es weiterhin all die Menschen, die sich nicht an getroffene Maßnahmen halten, die die Pandemie „klein reden“, die die Gefahrensituation nicht ernst nehmen.

Im weiten macht es mich wütend wenn Medien vor allem sehr viel über Infektions- und Todeszahlen berichten, kaum bis gar nicht aber über genesene Menschen, denn ich würde gerne öfter meine Freude darüber ausdrücken, wenn ein Mensch genesen ist, als immer „nur“ mein Beileid, meine Anteilnahme für die Angehörigen ausdrücken zu können.

Gesellschaftlich macht mich aber vor allem eines scheiß wütend. Die Ignoranz!

„Aber so scheint der Mensch zu sein: Ich, ich, ich. (…)

Auf Lesbos ist die Kacke am dampfen und zwar nicht nur im übertragenen Sinne. Da hausen über 20000 Menschen in einem Lager, das für 3000 Menschen gedacht war, auf allerengstem Raum. Die ausländischen Hilfskräfte haben die Insel aus Angst vor der Corona-Pandemie längst verlassen. Insgesamt leben in den Lagern auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos rund 42000 Menschen in allergrößter Not. Mitten in Europa. In der Region, in der die EMRK gilt, die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Das muss für die Menschen in den Lagern wie Hohn klingen. Ihre Menschenrechte sind in der Europäischen Union nichts als ein Spielball nationaler Egoismen. Solidarität Fehlanzeige.

(…)

Es ist so leicht, den Wohltäter zu mimen, wenn es einem selbst gut geht und man aus dem Vollen schöpfen kann. Vermutlich hilft man dann auch gar nicht mal so sehr aus Solidarität mit den Mitmenschen, sondern weil es sich einfach geil anfühlt, wenn man sich als Wohltäter brüsten kann. Schwieriger wird es dann schon, wenn man selbst in eine Notlage gerät. Dann noch teilen? Dann noch anderen helfen, die man nicht einmal persönlich kennt?

Wie man sieht können zur Stützung der Wirtschaft innerhalb weniger Tage Milliardensummen aufgebracht werden. Da kann die heilige Kuh der Schwarzen Null in Nullkommanix ins Schlachthaus gebracht werden. Ein kleiner Bruchteil dieser wahnsinnigen Summen hätte schon vor Monaten ausgereicht, um die Lage in den Lagern zu beenden und die Menschen in einem Europa der Menschenrechte ankommen zu lassen.

Das Gefasel von einer europäischen Lösung an der sich alle EU-Staaten beteiligen müssten, ist eine durchsichtige und billige Ausrede dafür, selbst nichts tun zu müssen.

Geholfen werden muss dann, wenn Not da ist. Ja, wir können nicht jeden Hungernden auf der ganzen Welt versorgen. Aber wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit wenigstens die Menschen, die sich auf dem Gebiet der Europäischen Union befinden, auch so zu behandeln, wie es die viel beschworenen europäischen Werte verlangen. Und wenn keiner mitmachen will, dann schaffen wir das auch alleine.

Die EMRK ist keine Vorlage für schwülstige Reden und Gedenkveranstaltung. Sie ist geltendes Recht. Nun wird es keinem der Lagerinsassen gelingen, dieses Recht auch einzuklagen, bevor er in dem Lager verreckt ist…“ (Zitat von Heinrich Schmitz)

 

Hier in Deutschland liest man seit letzter Woche immer wieder #bleibzuHause , aber wie setzt man das um, wenn es kein „zu Hause“ gibt, wenn man sich mit mehreren Menschen ein Zelt teilt, wie beachtet man Hygienemaßnahmen, wenn es nur einen Wasserhahn gibt, der für tausende Menschen dient, wie hält man Hoffnung aufrecht, wenn nicht mal genügend Lebensmittel zur Verfügung stehen? Seit dieser Woche lese ich auch immer öfter ergänzend #maskeauf – die Bitte im öffentlichen Raum für ein Minimum an Schutz eine selbst hergestellte Maske zu tragen. Eine gute Idee aber wie schützen sich die Menschen, die in Flüchtlingslagern leben?

Stimmt! Gar nicht! Denn es ist schlicht nicht möglich!

Das schlimme ist, wenn man dann noch liest oder hört, dass man ja jetzt durch die Corona-Pandemie dazu gezwungen sei die Menschen in den Lagern im Stich zu lassen, egoistisch sein zu müssen, sich selbst schützen und die Grenzen schließen zu müssen. Ein Gedanke, der von Angst getragen wird, nachfühlbar definitiv, aber human keineswegs!

Auch in Kriegsgebieten wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan wird ähnlich furchtbar sein, aber vor allem für die Region um Syrien, soll es immerhin finanzielle Hilfen geben („Entwicklungsminister Gerd Müller kündigt eine Initiative zum Schutz von Flüchtlingsregionen an. (…)Es werde ein Sofortprogramm erarbeitet für die Bekämpfung der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen vor allem in der Region um Syrien.“).

Auch für Afrika, dem durch die Pandemie hundertausende, wenn nicht millin Tote drohen soll geholfen werden wie Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) betont („ „Die Staatengemeinschaft muss schnell liefern“, schreibt Müller in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Neben millionenschweren Soforthilfen will der CSU-Politiker praktische Unterstützung bereitstellen – etwa bei der Schulung von Labor- und Klinikpersonal.“)

Darüber nachzudenken, dass in den Favelas Brasiliens Schutzmaßnahmen nicht von der Regierung ausgesprochen werden, sondern von Drogenkartellen und Milizen, darf ich mir kaum erlauben. Dies wäre Aufgabe der Politik gewesen, die aber verbreitet das Coronavirus sei mit einer Grippe vergleichbar, nicht ernst nimmt, dass das Gesundheitssystem so schlecht aufgestellt ist, dass es durch das Virus zu hunderten, wenn nicht sogar tausenden Toten kommen kann. Die „beste“ Nachricht zu den Menschen in den Favelas war diese: „Am Wochenende wurde bekannt, dass die Stadt nun Hotels mietet, um alte Menschen aus den Favelas zu isolieren.“

All diese Menschen verdienen Hilfe und Solidarität, haben das Recht darauf und dennoch wird es ihnen verwehrt und das macht mich einfach scheiß wütend!!!

Ich wünschte mir einfach etwas mehr handeln im Sinne des Songs „Imagine„, befürchte aber, dass dies ein Wunschtraum bleiben wird…

 

© S. Stolzenberg

 

 

Published in: on 30. März 2020 at 02:14  Comments (1)  

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  1. […] Woche – sehr schwer einen neuen „Alltag“ zu finden… Ab Woche zwei lief es besser (was hier nachgelesen werden kann). Ich fand dann auch zeitnah eine gute Seite im Internet auf der ich immer […]


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