Warum ich hier nur einen Versuch unternehmen kann objektiv zu der Thematik sexueller Kindesmissbrauch zu schreiben, liegt darin begründet, dass dieses sehr emotionale Thema eines ist, dass jeden Menschen berührt und zu dem jeder auch eine eigenen Meinung hat. Dass diese weit auseinander gehen können und die Diskussion, die dann entstehen (können) nicht immer sachlich bleiben ist verständlich, aber gerade deswegen möchte ich mal versuchen mich in beide Seiten hinein zu fühlen und deren Argumente näher zu betrachten.
Hierbei werde ich die Argumentationen zu drei verschiedenen Gruppen von Menschen betrachten:
Erst mal werde ich über die Argumente zu Pädophilen und Hebephilen schreiben, dann über die Argumente, wenn es um Pädosexuelle geht.
Ich beschränke mich in diesem Artikel bewusst auf den sexuellen Missbrauch, da eine Einbeziehung der drei anderen Missbrauchsformen (physischer Missbrauch, psychischer Missbrauch und ritueller Missbrauch) zu weit führen würden, wobei die Argumentationen zum Teil übernommen werden können. Speziell zum psychischen Missbrauch wäre aber eine deutlich höhere Aufklärung nötig, da sehr oft weder Tätern, noch Opfern bekannt ist, dass es sich um einen solchen handelt.
Es gibt auch sicher auch Betroffene von sexuellem Missbrauch, die diesen nicht im Kindesalter erlebten, doch genauso schwer (vielleicht, weil sie sich besser erinnern können sogar schlimmer) darunter leiden, aber da der kindesmissbrauch ein weniger großes Tabu zu sein scheint und mehr Menschen anzusprechen scheint (meiner Erfahrung nach), schreibe ich auch „nur“ über diese Betroffenengruppe.
Ich möchte mich nun erst mal auf die Argumente zu den beiden ersten Personengruppen beziehen, möchte dazu aber auch eine Definition geben, da es oft vorkommt, dass Pädophilie und Pädosexualität gleichgesetzt werden und das nicht nur im täglichen Sprachgebrauch, sondern auch in den Medien!
Ich schreibe in diesem Teil des Artikels über Paraphile.
Die Paraphilien sind eine Gruppe psychischer Störungen, die sich als ausgeprägte und wiederkehrende, von der empirischen „Norm“ abweichende, sexuell erregende Phantasien, dranghafte sexuelle Bedürfnisse oder Verhaltensweisen äußern, die sich auf unbelebte Objekte, Schmerz, Demütigung oder nicht einverständnisfähige Personen wie Kinder beziehen und in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung bei der betroffenen Person oder ihren Opfern hervorrufen.
Zu den Paraphilien gehören :
· Exhibitionismus
· Voyeurismus
· Pädophilie
· Hebephilie
Pädophilie ist wahrscheinlich eine der problematischsten und auch am meisten diskutierten Paraphilien. Hierbei findet der Betroffene sexuelle Erregung an Kindern, die zumeist noch prä- oder momentan früh peripubertär sind. Die sexuelle Erregung an postpubertären männlichen Kindern und Jugendlichen wird häufig als Ephebophilie bezeichnet. Sie ist jedoch in den meisten Fällen unabhängig von Pädophilie. (Quelle: https://www.facebook.com/groups/220928501285729/?fref=ts)
In der Sexualmedizin spricht man von Pädophilie erst dann, wenn sich ein Erwachsener (oder ein älterer Jugendlicher am Ende der Pubertät) zu Kindern hingezogen fühlt, die selbst noch nicht in der Pubertät sind. Des Weiteren geht man heute davon aus, dass der Betroffene selbst mindestens 16 Jahre alt sein sollte, bevor er als pädophil diagnostiziert werden kann, denn erst ab der Spätpubertät kristallisiert sich eine bleibende sexuelle Präferenz heraus.(Quelle: http://www.gegen-missbrauch.de/paedos)
Hebephilie wird in 5 Kategorien unterteilt:
· Vergewaltigung (Koitus mit Frauen)
· heterosexuelle Hebephilie
· heterosexuelle Pädophilie
· homosexuelle Hebephilie
· homosexuelle Pädophilie
(Quelle: https://www.facebook.com/groups/220928501285729/?fref=ts)
Der Pädophile/ Hebephile hat also eine Neigung, die er aber durch Projekte wie „Kein Täter werden“ lernen kann zu steuern. Es gibt zwar auch pädophile/hebephile Pädosexuelle, aber beides ist erst mal „nur“ eine Neigung, keine Handlung an Kindern.
Wenn mal die Gleichsetzung mit Pädosexuellen außen vor gelassen wird, gibt es aber auch bei dieser Gruppe von Menschen, die auch eine Gruppe potenzieller Täter darstellt, Dinge, die gefordert werden. Ich verwende hier zwar nur Bezeichnung des Pädophilen, aber dies bezieht sich genauso auf die Hebephilen, da diese Unterscheidung kaum bekannt sein dürfte.
So wird zum Beispiel gefordert, dass sich Pädophile, von denen es bekannt ist, dass sie pädophil sind, rechtlich dazu gezwungen sind sich regelmäßig bei einer für sie zuständigen Stelle zu melden und/oder sich durch Fußfesseln überwachen zu lassen.
Für diese Forderung spricht, dass damit ein eventueller Übergriff vielleicht schneller registriert werden könnte und damit eine Verfolgung der Straftat schneller und wahrscheinlich auch effektiver möglich wäre. Außerdem wäre damit zumindest das Gefühl einer erhöhten Sicherheit potenzieller Opfer gegeben. Es ist also zumindest ein nachvollziehbares Argument, aber es spricht auch einiges dagegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein pädophiler Mensch bei einem Psychiater, einem Projekt wie „kein Täter werden“ oder einer anderen Stelle melden wird ist auch ohne eine solche Maßnahme schon gering genug und damit das Übergriffsrisiko eh schon deutlich erhöht, aber wenn er dann noch damit rechnen muss wegen seiner Neigung wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden, sinkt die Chance, dass er sich meldet, um sich helfen zu lassen noch weiter und damit die Chance mehr Kinder zu schützen.
Eine weitere viel verbreitete Forderung ist, dass Pädophile für ihre Neigung schon eingesperrt gehören.
Ebenfalls eine nachvollziehbare Forderung, die ein subjektives Empfinden erhöhter Sicherheit nach sich ziehen würde, aber ebenfalls die Chance minimieren würde, dass sich Pädophile tatsächlich zu dieser Neigung bekennen würden. Unabhängig davon stellt sich mir (wie vermutlich den meisten) aber auch die Frage wie so Pädophilie festgestellt werden, wenn nicht dadurch, dass sich ein Pädophiler zu seiner Neigung bekennt?
Es ist sicherlich auch verständlich, dass jeder, der nicht pädophil ist, nicht nachempfinden kann wie man sich zu einem Kind sexuell hingezogen fühlt und Abscheu – vielleicht auch Verachtung empfindet, aber genauso wenig wird man nachempfinden könne wie es sein muss festzustellen, dass man pädophil ist und dem Drang, den man verspürt nicht nachgeben zu wollen. Immerhin beeinträchtigt diese Neigung das gesamte Leben immens.
Ich würde mir wünschen, dass es zur Pädophilie mehr Aufklärung gäbe und erkannt wird, dass es sich dabei nicht um eine Straftat handelt, denn so würden vielleicht mehr Pädophile dazu ermutigt sich helfen zu lassen und damit wäre auch mehr Kindern geholfen!
Die Argumentation über pädosexuelle Menschen ist jedoch eine weit emotionalere und sehr viel weitere gefächert, da es hierbei auch um Begrifflichkeiten geht, aber auch hier möchte ich erst mal eine Definition liefern:
Pädosexualität bedeutet, sich ausschließlich oder überwiegend sexuell/erotisch zu Kindern hingezogen fühlen. Pädosexualität könnte (dies ist noch sehr umstritten – so manche Forscher meinen auch – es handelt sich um eine psychische Störung – die bisher wiederum nicht belegt werden konnte) eine Sexualform sein die, wie Hetero – oder Homosexualität, sehr unterschiedliche Erscheinungsformen hat. (Quelle: http://www.gegen-missbrauch.de/paedos)
Pädosexuelle sind also Täter, Menschen die gegenüber Kindern übergriffig wurden und damit eine Straftat begangen haben.
Hier gibt gibt es diverse Forderung; oft auch schon bei einem Verdacht, zum Beispiel wenn es wegen eines Missbrauchs eine Verhaftung gab, was natürlich in keiner Relation stehen kann, denn eine Tat kann erst dann verfolgt und bestraft werden, wenn sie bewiesen wurde!!!
Die meisten Forderung (könnten triggern!!!) sind Äußerungen wie „ denen sollte der Schwanz angeschnitten werden“, „die sollten ganz langsam und elendig verrecken“ und ähnliche. Ich möchte und kann nicht all diese Äußerungen hier aufschreiben, aber dennoch dazu Stellung beziehen.
Ich kann verstehen, dass viele Menschen so reagieren, wenn sie von einem Missbrauchsfall erfahren, denn sie sind geschockt, wütend, entsetzt und vieles mehr über die Taten, die ein Kind erfahren musste, insbesondere, da jedem klar ist, dass Missbrauchsbetroffene ihr Leben lang mit den Folgen zu leben haben sei es auch „nur“ in Form von Flashbacks (ein Wiedererleben bestimmter Erlebnisse) oder Triggern (Worte, Geräusche, Gerüche, die als Reiz mit einem Trauma verknüpft werden, die zu einem unverhältnismäßigem Verhalten führen beispielsweise zu einer aggressiven Reaktion bei einer einfachen Äußerung wie „ Du bist ein liebes Kind“). Menschen, die diese Forderungen äußern sind in dieser Situation empathisch und versetzten sich in das Opfer hinein. Sie versuchen unterbewusst nachzuempfinden was das Opfer empfunden haben muss und haben Rachegelüste für die Tat. Aber: Was nutzt es dem Opfer, wenn dem Täter Gewalt angetan wird, außer, dass dadurch Rachegelüste gestillt werden? Dem Opfer ist damit nicht geholfen! Das Opfer wünscht sich erst mal eine Person, der er sich anvertrauen kann, die ihm zuhört, die ihn vielleicht auch begleitet und unterstützt. Außerdem wünscht sich das Opfer Hilfe wieder ins Leben zu finden und mit den Triggern/Flashbacks umgehen zu lernen. Weiterhin stellt man sich mit dieser Forderung auf eine ähnlich Stufe wie der Pädosexuelle und dieser wird in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt, nicht die Tat und schon gar nicht das Opfer! Zudem sollte bedacht werden, dass ein Opfer sich kaum jemandem anvertrauen würde, wenn diese Forderungen umgesetzt würden, wenn der Täter aus dem familiären Umfeld stammt!
Gleiches gilt übrigens auch für die Forderung nach einer Todesstrafe, aber dazu habe ich bereits einen Blog geschrieben: https://sabrinastolzenberg.wordpress.com/2012/10/17/der-ruf-nach-todesstrafe-in-bezug-auf-missbrauch-an-kindern-und-kindstotungen-oder-aus-ihnen-sprechen-wut-verzweiflung-und-rachegefuhle/
Es muss sicherlich härtere Strafen geben, aber keine Strafe wird der Tat wirklich gerecht werden….
Meist beginnt die Diskussion aber meist schon mit den Begrifflichkeiten, da die meisten Menschen, wie auch eine Großzahl der Medien nicht von Pädosexuellen spricht, sondern den Begriff des Kinderschänders verwendet.
Auch hier möchte ich erläutern warum viele Betroffenen fordern diesen Begriff nicht zu verwenden und warum es doch meist getan wird.
Die Betroffenen würden sich wünschen, dass der Begriff nicht verwendet wird, denn „schänden“ ist eine Kausativform von „Schande“. Wenn also das Kind geschändet wird, dann ist es, sprachlich gesehen, mit Schande bedeckt! Und damit wird das Kind sprachlich für die an ihm verübten Taten bestraft. (siehe dazu folgende Definition: http://www.duden.de/rechtschreibung/schaenden)
Ich habe dazu allerdings auch eine andere Interpretation gelesen, nämlich, dass der Begriff so verstanden werden kann, dass das Kind in so fern „ geschändet“ wurde, dass es nicht ehrenhaft behandelt worden ist, dass „Schande“ im Gegensatz zu einem ehrvollen Verhalten steht.
Der Begriff wird allerdings aus anderen Gründen verwendet. Der Begriff der Schande soll sich bei der Verwendung des Begriffs (fälschlicherweise!) auf den Pädosexuellen beziehen und zum Ausdruck bringen wie widerwärtig sein handeln ist. Der Begriff soll die empfunden Emotionen zum Ausdruck bringen, was bei einem sachlichen begriff wie Pädosexueller nicht möglich ist. Außerdem ist es ein weitverbreiteter Begriff, bei dem jeder weiß was damit gemeint ist, während bei Pädosexueller oft erst mal erklärt werden muss, was das denn überhaupt bedeutet. Traurigerweise ist der Begriff sogar im Duden zu finden: http://www.duden.de/rechtschreibung/Kinderschaender.
Unabhängig davon auf wen sich bei der Benutzung des Begriffs die Schande beziehen soll oder tatsächlich bezieht, mag ich die Verwendung schon deshalb nicht, weil es ein Begriff ist, der gerne von der politisch rechten Szene verwendet wird.
Ich hoffe, dass dieser Text zumindest ein klein wenig zum Nachdenken anregt und möchte abschließend noch zwei gute Texte zur Thematik verlinken.
https://sabrinastolzenberg.wordpress.com/2013/01/06/gedankenreisen-eine-antwort-auf-eine-gewaltige-frage-achtung-triggergefahr-fur-betroffene-sexueller-gewalt-von-udo-symbiont-ziegenzottel/
http://vieleineinemblog.wordpress.com/2013/09/18/weil-sich-die-sprachfhrung-ber-sexualisierte-gewalt-verndern-muss/
© S. Stolzenberg